(Stadt-)Luftreiniger für Peking

„There are nine million bicycles in Beijing.“ Als Katie Melua diese Songzeile vor acht Jahren in den Äther hauchte und den darin beschriebenen Fakt mit der Tatsache verglich, dass sie einen gewissen „you“ bis zu ihrem Tode lieben werde, waren es wohl eher textuntaugliche „thirteen million bicycles“, mit denen ihre Besitzer – oder auch Fahrraddiebe – in der chinesischen Hauptstadt unterwegs waren. Inzwischen wird die Zahl der Fahrräder in Peking allerdings von der Anzahl der Autos übertroffen. Würde man den Song nun neu auflegen oder besser remixen, müsste man also eher von „more than thirteen million cars“ singen. Was das mit sich brächte, wäre jedoch kein potentieller Charterfolg, sondern vielmehr der Hinweis auf die reale Luftverschmutzung im Land des hinter einer Atemmaske verborgenen Lächelns.

Smog – Ständige Bedrohung in Chinas Großstädten

Die Luft, die in Chinas Großstädten herrscht, ist dick und dreckig. Der gefährliche Feinstaub, der die Menschen belastet und dessen Konzentration besonders im Gebiet um Peking sowie im Jangtse- und im Perlfluss-Delta in Chinas Süden hoch ist, hat Ende 2015 erstmals zum Ausruf der höchsten Alarmstufe für die Hauptstadt geführt. Ein Kubikmeter Luft, der laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) höchstens 25 Mikrogramm der die Lunge schädigenden Kleinstpartikel (kleiner als 2,5 Mikrometer) enthalten sollte, enthielt erschreckende 300 Mikrogramm. Verantwortlich für die viel zu hohe Schadstoffbelastung ist – neben dem Heizen und Kochen mit Holz, Kohle, Diesel und anderen biogenen Brennstoffen – das rasante Wirtschaftswachstum Chinas. Mit ihm gingen der Anstieg der Industrieproduktion und die stetig steigende Zahl von Autos einher. Wenn Staubpartikel, Ruß und Schwefeldioxid, die mit dem Rauch aus Fahrzeugen, Fabriken und Kraftwerken in die Luft steigen, mit hoher Luftfeuchtigkeit und Windstille zusammenfallen, entsteht, was im chinesischen Winter noch häufiger der Fall ist als in anderen Jahreszeiten: Die gesundheitsgefährdende Dunstwolke namens Smog (chinesisch: wumai).

Der Kampf gegen den Smog

Um der Bedrohung entgegenzuwirken, die in Peking und anderen chinesischen Großstädten in der Luft schwebt und an deren Folgen nach den Modellrechnungen des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie ca. 1,4 Millionen Chinesen jährlich vorzeitig sterben, gibt es eine Reihe von Maßnahmen. So ist jeder Bewohner Pekings dazu verpflichtet, das mit einem Verbrennungsmotor betriebene Auto wenigstens einmal pro Woche stehen zu lassen. An Tagen mit besonders dichtem Smog, an denen die Sichtweite weniger als 100 Meter beträgt, gelten weitere Fahrverbote, und die Fabrikbetreiber werden angewiesen, die Produktion zu drosseln, um den Schadstoffausstoß zu senken. Außerdem ist die Zulassung neuer Diesel- und Benzinautos in Peking reglementiert. Dagegen sind feinstaubneutrale Elektroautos – und in reduziertem Maße auch Plug-in-Hybridfahrzeuge –, bei denen Nachlässe bei Steuern und Gebühren gewährt werden, von Beschränkungen ausgenommen. Neben Elektroautos, deren Anschaffung der Staat mit Prämien fördert, stehen auch Elektroräder auf dem staatlichen Förderprogramm.

Falls die Luftqualität unverändert schlecht bliebe, könne sich – so die Forscher des Max-Planck-Instituts – die Zahl derjenigen, die jährlich an den Auswirkungen der Luftverschmutzung sterben, bis zum Jahr 2050 weltweit verdoppeln. In China müsste man dementsprechung mit 2,8 Millionen Menschen rechnen, die Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs oder anderen Folgeerscheinungen erliegen. Angesichts dieser Bedrohung gilt es, sich nicht auf die bisherigen Maßnahmen zu beschränken, sondern sie in Peking und auf der ganzen Welt auszuweiten.

Luftreiniger im Großformat für smogfreie Blasen

In Peking kann man – falls der dichte Smog ein wenig Weitblick erlaubt – bald eine neue Maßnahme zur Säuberung der chinesischen Atemluft sehen. Dabei handelt es sich um sieben Meter hohe Türme, sogenannte „Smog Free Tower“, die ab September 2016 im Rahmen des „Smog Free Projects“ in Pekinger Parks aufgestellt werden sollen. Erfinder und Entwickler der Luftreiniger-Türme ist der niederländische Designer Daan Roosegaarde, der sich unter anderem mit seinen im Dunkeln leuchtenden Fahrradwegen, die in ihrer Gestaltung von van Goghs „Sternennacht“ inspiriert sind oder mit intelligenten Fahrbahnen, deren Lichter sich der Verkehrssituation farblich anpassen, um Lösungen für die Stadt der Zukunft bemüht hat. Ihm kam die Idee zur Reinigung der Stadtluft während eines vier Jahre zurückliegenden Besuchs in der chinesischen Hauptstadt. Mit Ingenieuren und Designern hat Roosegaarde daraufhin den Turm ertüftelt, der wie der überdimensionierte Bruder eines Luftreinigers für den Privatgebrauch aussieht und auch nach den Prinzipien einiger dieser Geräte funktioniert, während er mit einer besonderen Zusatzfunktion aufwartet.

Naturheilkunde Aktuell-Tipp: Ausführliche Empfehlungen zum passenden Luftfilter für Ihr Zuhause finden Sie in unserem Luftreiniger-Ratgeber.

Ein Luftreiniger-Turm ist in der Lage, die lebensgefährlichen Feinstaubpartikel durch Ionisierung aus der Luft zu filtern und auf diese Weise 30.000 Kubikmeter Luft pro Stunde (ein Erwachsener atmet pro Tag zwölf Kubikmeter Luft ein und aus) zu reinigen. Hierzu werden Negativ-Ionen erzeugt und an die Umwelt abgegeben, denen feinste Partikel anhaften und die mit diesen Teilchen in den „Smog Free Tower“ zurückgezogen und dort von Filtern gebunden werden. Auf diese Weise entstehen um den (Stadt-)Lufteiniger 60 Meter umspannende, smogfreie Blasen, in denen die Atemluft bis zu 75 Prozent sauberer ist.

Die reinere Luft, die in Peking bald in 20 bis 25 Stadtparks erzeugt wird, ist jedoch nicht das einzige Produkt des Riesen-Luftreinigers. Die herausgefilterten Schadstoffe werden teilweise recycelt: Der Kohlenstoff, den die versmogte Hauptstadtluft in einer Konzentration von bis zu 32 Prozent enthält, wird unter hohem, 30 Minuten währenden Druck in Schmucksteine („Diamanten“) umgewandelt, die, eingefasst in durchsichtige Würfel, Ringe oder Manschettenknöpfe zieren können. Wer solch ein Smog Free-Juwel für 50 oder 250 Euro erwirbt, kann sich mit der Verschmutzung aus 1.000 Kubikmetern Luft schmücken oder hat – positiver gesprochen – 1.000 Kubikmeter saubere Luft gespendet.

Reine Luft, die zum Nachdenken anregt

Betrachtet man den Juwelenverkauf und die Pläne Roosegaardes, seine Türme in Paris, Mexiko City, Los Angeles und anderen luftverschmutzten Großstädten der Welt zu errichten, könnte man ihm  unterstellen, vom Geschäft mit dem Smog profitieren zu wollen. Dank der schlechten Luft und der staatlichen Förderung von Elektrofahrzeugen schaffen es Chinas Autobauer mit ihren alternativen Antrieben immerhin erstmals, auf den Weltmarkt zu drängen, während zum Beispiel auch die Hersteller von gigantischen Sauerstoff-Kuppelzelten verdienen, in denen die privilegierteren Schüler Chinas ihre Freizeit ungefährdet verbringen. Der niederländische Künstler und Erfinder Roosegaarde, der den in Rotterdam aufgestellten Prototypen der Luftreiniger-Türme mithilfe der Crowdfunding-Plattform „Kickstarter“ finanziert hatte, sieht im Verkauf der Schmuckstücke jedoch eine weitere Möglichkeit, die Kosten der „Smog Free Tower“ zu refinanzieren.

Auch ist der Entwickler längst nicht so naiv zu glauben, das Smog-Problem lediglich mit einigen riesigen Luftfiltern lösen zu können. Durch die Türme sollen die Städter vielmehr für die ernsthafte Bedrohung durch die Luftverschmutzung sensibilisiert werden. Auch, so Roosegaarde, rege das Atmen frischer Luft in den smogfreien Blasen die Menschen hoffentlich dazu an, über weitere Maßnahmen für smogfreie Lebensräume, letztlich die Ausdehnung der Blasen auf die ganze Stadt, nachzudenken. Vielleicht steigen dann noch mehr Bürger auf Elektroautos und umweltfreundlichere Energien um oder sorgen dafür, dass es much more than thirteen million bicycles in Beijing und vielen anderen Großstädten der Welt gibt.

Daan Roosegaardes Aufruf, um den ersten „Smog Free Tower“ für Rotterdam zu realisieren: